Montag, 14. April 2014

Ode an die Familie

Vorgestern vor einem Jahr ist meine Oma gestorben. Oma, ich vermiss dich immer noch.

Gestern hab ich dich dort besucht, wo du jetzt liegst. Auf die Steinplatte hab ich eine kleine Vase mit ein paar Blumen aus dem Garten gestellt.


Du hättest es gut gefunden, wenn man an deinem Jahrestag an dich denkt, du mochtest es, wenn man Dinge macht, die sich so gehören. Nur deswegen bin ich auf den Friedhof gegangen. Denn ich brauche nicht dort zu stehen, um an dich zu denken, ich denke jeden Tag an dich. Deine Todesanzeige hängt genauso wie das Nordseelied in der Küche an der Ofenwand. Ich schaue jeden Tag darauf.

Deinen Namen auf dem Stein zu lesen ist ganz komisch. Denn mit dem Namen verbinde ich nicht den Tod, sondern sehe dich noch ganz lebendig vor mir. Wie du dich mit dem Namen am Telefon meldest zum Beispiel. Ich sehe dich und ich weiß noch genau, wie du gegangen bist. Ich sehe dich durch den Garten gehen und Äpfel aufheben, in deiner Oma-Manier, Omas gehen ja nicht in die Knie, sondern bücken sich immer so, dass der dicke Oma-Hintern nach oben schaut. Ich sehe dich in der Küche sitzen und Kartoffeln schälen, sorgfältig und langsam. Manchmal ging mir deine Langsamkeit auf den Nerv, dafür schäme ich mich heute immer noch. Ich war schon immer in Eile. Bei euch in den Ferien musste ich erstmal mit eurer Langsamkeit klar kommen und dass die Uhren für euch anders ticken. Heute denke ich, dass ich dir viel mehr Zeit hätte schenken können. Du mochtest es so, wenn die Kinder auf dem Teppich lagen und spielten und du einfach nur zugucken konntest. 

Wir haben so viel gemeinsam gemacht, ich erinnere mich an so unheimlich viele Begebenheiten und Situationen, ihr habt immer all eure Zeit für uns genommen, wenn wir bei euch waren. Am Abend wurde dann immer gemeinsam auf dem Fernseher geschaut, was Opa für Filme von uns und den Kindern gedreht hatte. Ach, ich erinnere mich an so viel. An deine Teddysammlung, an den Hausboden, auf dem immer noch mein altes Puppenhaus stand, mit dem dann die Kinder gespielt haben, an deinen selbstgemachten Apfelsaft, an deine Hände, die an Puppenstrümpfen häkelten. Ich habe keine Ahnung, wie du als Mutter warst, aber als Oma warst du echt gut. Mehr Oma konnte man nicht sein wie du. Immer wieder erzähltest du gerne die Begebenheit, als ich als kleines Mädchen mit dir im Waschhaus auf dem Campingplatz unter der Dusche stand. "Oma, du bist aber ganz schön schwabbelig", habe ich durch den ganzen Waschraum getönt. Du hast nur gesagt:" Ja, ich bin ja auch schon eine Oma, ich darf das." 

Du sollst wissen, dass ich immer an dich denke. Und dass ich immer an deinem Todestag eine Blume für dich hinstellen werde, wenn ich nicht gerade verreist bin oder krank, weil sich das so gehört. Brauchst dir darüber keine Sorgen zu machen. Da oben.


Wenn man vom Friedhof kommt, hat man ganz doll das Gefühl, am Leben zu sein. Man spürt das nicht immer so, aber dann ist es extrem. Ich bin grade sehr dankbar dafür, dass ich noch Zeit habe um zu leben. Dass ich eine tolle Mutter habe, die noch lebt und die gesund ist und mit der ich hoffentlich noch viele viele Jahre haben werde und viele viele Erinnerungen. Ich bin dankbar für meine zwei grandiosen Kinder, die so lustig sind und schlau und mitfühlend. Ich bin froh, einen Mann zu haben, der mich noch immer liebt. Und einen Papa und einen Opa und eine Oma und meine drei Halbgeschwister, die sich für mich wie Voll-Geschwister anfühlen, weil ich sie so gut leiden kann. Es ist großartig, eine Familie zu haben UND gleichzeitig am Leben zu sein. Hat nicht jeder das Glück.

In dem Sinne. Lebt mal ein bisschen.



Keine Kommentare: